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Mit Enkeln daheim statt im Heim

Beitrag Thurgauerzeitung vom 25. Juni 2015

FRAUENFELD. Eine Arbeitsgruppe von «Älter werden im Quartier» beschäftigt sich mit genossenschaftlichem Wohnbau im Kurzdorf in Frauenfeld. Die Wohnungen sollen attraktiv sein für Jung und Alt. Die Initianten suchen Bauland oder Liegenschaften.

MATHIAS FREI

Mitten im Zürcher Kreis 4, dem sogenannten «Chreis Cheib», leben seit vergangenem Jahr 250 Menschen jeden Alters in der Kalkbreite-Genossenschaft. Schon ein Jahr länger gibt es die Mehrgenerationensiedlung Giesserei im Herzen Oberwinterthurs mit über 300 Bewohnern.

Beiden Wohnprojekten ist gemein, dass fünfköpfige Familien neben alleinstehenden Pensionärinnen und jungen Paaren wohnen. Genau solche Wohnformen schweben der Arbeitsgruppe Wohnen des Projekts «Älter werden im Quartier» (AWIQ, siehe Kasten) vor. Derartiger Wohnraum könnte zum Beispiel an der Murg entstehen, wenn der städtische Werkhof seinen bisherigen, zentralen Standort aufgibt – oder auch in der Stadtkaserne, obwohl sie für das Kurzdorfer Pilotprojekt ausserhalb des Arbeitsrayons liegt. «Aber gerade für solche Areale braucht es auch die aktive Mitwirkung der Stadt», sagt Arbeitsgruppenmitglied Christine Courti.

Zuhause im Quartier
«Die Bedürfnisse älterer Menschen haben sich gewandelt», erklärt Courti. Viele Pensionierte seien heute viel länger aktiv, sagt die Kurzdorferin und ist das beste Beispiel dafür. «Ein Wunsch vieler älterer Leute ist es, möglichst lange im angestammten Umfeld wohnen zu können.» Damit sie am gleichen Ort einkaufen können oder weiterhin in «ihrem» Café einkehren können. «Aber dafür braucht es auch altersgerechten, zentral im Quartier gelegenen Wohnraum statt einer Alterssiedlung am Stadtrand.»
Von Islikon bis Zürich

In den vergangenen Monaten besuchte die Arbeitsgruppe Wohnen verschiedene Wohninstitutionen im Kanton Zürich und im Thurgau – von der laut Courti vorbildlichen, weil zentral gelegenen Casa Sunnwies in Islikon bis zur grössten Wohnbaugenossenschaft ABZ in Zürich mit fast 4700 Wohnungen. Das gute Dutzend Kurzdorfer sammelte viele positive Eindrücke. Ihr Augenmerk legte die Gruppe darauf, dass das Wohnen altersgerecht sein sollte und zugleich generationendurchmischt.

Einerseits sollen die Wohnungen nicht zu gross sein für ältere Alleinstehende oder auch Ehepaare, nicht zu teuer und barrierefrei. Zugleich ist es wichtig, dass es in einer Überbauung unterschiedlich grosse Wohnungen gibt, damit das Wohnen für Familien oder jüngere Paare attraktiv ist. Gemeinschaftsräume und Grünanlagen sollen die Anlagen weiter aufwerten.

Jetzt wird Bauland gesucht
Dies die Wunschvorstellung. Die Realität ist noch eine andere. Bis spätestens Anfang 2016 will die Arbeitsgruppe die Realisierbarkeit solcher Wohnformen im Kurzdorf abgeklärt haben. Ein wichtiges Gespräch zum weiteren Vorgehen aller AWIQ-Arbeitsgruppen findet Ende Juni mit Stadtpräsident Anders Stokholm, Stadträtin Elsbeth Aepli und der Steuergruppe statt. «Jetzt brauchen wir Bauland oder grössere Liegenschaften, die in unserem Sinne umgenutzt werden können. Sonst können wir die Idee vergessen», tönt es bei der Arbeitsgruppe. Für die Zukunft sieht sie zwei mögliche Wege vor. «Entweder gründen wir selber eine Wohnbaugenossenschaft, unterstützt von einer bestehenden Institution. Oder wir überzeugen eine Genossenschaft davon, in unserem Sinne Wohnbauten zu erstellen», heisst es seitens Arbeitsgruppe. Offen ist, ob die Zusammenarbeit mit einer lokalen Wohnbaugenossenschaft oder mit einer grossen Trägerschaft etwa aus Winterthur oder Zürich angestrebt wird. «Hauptsache: Erfahrungen mit generationendurchmischtem Wohnen sind vorhanden», ist die einhellige Meinung der Arbeitsgruppe.

Noch wenig Genossenschaftsbau
In Frauenfeld gibt es fünf gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften mit rund 550 Wohnungen – von knapp 12 000 Mietwohnungen auf Stadtgebiet. Im schweizweiten Vergleich ist das wenig. Von diesen Trägerschaften hat sich die Genossenschaft Alterssiedlung auf altersgerechten Wohnraum spezialisiert.
 

Umsetzungsphase
Projekte von «Älter werden im Quartier»

Im Rahmen des Alterskonzepts hat die Stadt Frauenfeld im Frühling 2014 «Älter werden im Quartier» (AWIQ) lanciert. Das Pilotprojekt unter der Leitung von Sonya Kuchen von der Fachhochschule St. Gallen zielt darauf ab, dass ältere Menschen so lange, wie es sinnvoll ist, in ihrem Quartier leben können. Pilotquartier ist das Kurzdorf. Bei AWIQ wirken 30 Personen aus dem Kurzdorf mit. Nebst dem altersgerechten, generationendurchmischten Wohnraum gibt es fünf weitere thematische Arbeitsgruppen, die sich in der Realisierungsphase befinden. Sie beschäftigen sich etwa mit Freizeitangeboten für Kurzdorfer Quartierbewohner im Bereich 50plus oder mit einer Analyse der Kurzdorfer Stadtbushaltestellen auf ihre Seniorentauglichkeit. Weiter geht es darum, einen Begegnungsort für alle Generationen im Kurzdorf zu eröffnen. Ein anderes Projekt ist eine Talentbörse für Begabungen. Und ein letztes Thema ist der Aufbau einer auf Freiwilligkeit basierenden Nachbarschaftshilfe im Kurzdorf.(ma)

Quelle: Thurgauerzeitung, 25.6.2015